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Leichtathletik
Leichtathletik: DLV entmachtet Cheftrainerin
Der Deutsche Leichtathletik-Verband zieht erste Konsequenzen aus den medaillenlosen Weltmeisterschaften in Budapest: Annett Stein verliert ihren Cheftrainer-Posten, Sportdirektor Jörg Bügner wird noch mächtiger.

Als der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) am Wochenende in Darmstadt seine Mitarbeiter zur Jahresklausur bat, gab es viel Gesprächsstoff. Die Aktiven waren zuletzt ohne Medaillen von ihren Weltmeisterschaften zurückgekehrt, zum ersten Mal in der 40-jährigen Historie der Titelkämpfe, und auch im sonst so starken Nachwuchs hatten sich Schatten auf die Bilanzen gelegt. Da klang es vielsagend, wie sich Jörg Bügner, seit etwas mehr als einem halben Jahr Sportdirektor im DLV, auf der Homepage des Verbandes zitieren ließ: "Mit Blick auf unsere Zielstellung", die Rückkehr in die Weltspitze also, "wird es nicht ohne Veränderungen gehen."

Eine erste, große Veränderung sieht der DLV offenbar darin, seine Cheftrainerin zu entmachten und die Stelle fürs Erste nicht neu zu besetzen. In einer aktuellen internen Mitteilung, heißt es, dass man die Kompetenzen des Sportdirektors mit Blick auf die kommende Olympiasaison aufstocke.
Bügner soll "übergreifend die gesamte Steuerung der Leistungssportkulturen und der Leistungssportentwicklung" schultern.

Im Sinne "kürzerer und effektiverer Kommunikationswege" sollen die leitenden Bundestrainer, die der DLV für manche Disziplingruppen installiert hat, fortan direkt an Bügner berichten - und nicht mehr an die Cheftrainerin, die bislang die Bundestrainer führte und mit diesen koordinierte, wie sich die Auswahl auf Großereignisse vorbereitete, wobei sie sich offenbar auch mit Bügner abstimmten musste.

Der Umbau ein Jahr vor Olympia deutet auf massive Unzufriedenheit hin
Die Entscheidungszeiträume würden so angeblich "kürzer", die Struktur "horizontaler mit weniger Hierarchien". Viele Bundestrainer würden so "noch deutlicher von administrativen Aufgaben entlastet". Und: Mit Annett Stein stehe man "in Gesprächen über ihre zukünftige Aufgabe beim Verband". Weniger als ein Jahr vor Olympia in Paris ist das ein Umbau, den man in der Regel nur vorantreibt, wenn man massiv unzufrieden ist.

Der Schritt kommt ein Jahr, nachdem der ehemalige DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow und diverse Bundestrainer beklagt hatten, dass im Verband ein autokratisches, von Kontrolle und langen Entscheidungswegen geprägtes Klima herrsche (was der DLV damals zurückwies).
Kurz darauf besetzte der Verband den bis dahin vakanten Posten des Sportdirektors wieder - auch, damit Stein sich besser auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könne, hieß es. Dabei hatte sie in den vergangenen Jahren allerdings bedingt sattelfest gewirkt.

Schon die WM 2022 in Eugene verlief für die deutschen Athleten enttäuschend
Nach den Weltmeisterschaften vor einem Jahr in Eugene, dem damals schlechtesten Abschneiden mit zwei Medaillen, hatte sich Stein etwa intern überrascht geäußert, wie schwach sich die Auswahl präsentiert habe - zuvor sei sie bei den nationalen Titelkämpfen in Berlin doch noch wehrhaft aufgetreten und überhaupt gut präpariert gewesen. Die Bilanz der Meisterschaften gab das freilich kaum her, und auch über das DLV-Vorbereitungscamp drangen später durchwachsene Rezensionen nach außen.

Es war Clemens Prokop, der ehemalige, langjährige DLV-Präsident, der in der Stuttgarter Zeitung zuletzt einen ungewöhnlich offenen Schadensbericht vorlegte: Im Lichte des anhaltenden Abschwungs müsse man prüfen, "ob unsere Trainer und die Chef-Bundestrainerin über die erforderliche Erfahrung, Kompetenz und Zukunftsvision verfügen", sagte Prokop.

Schon die Wahl von Steins Vorgänger als Cheftrainer verwunderte viele
Das rückt den Fokus zugleich, wieder einmal, auf den Mann, der auch unter Prokop seine Macht gefestigt hatte: Idriss Gonschinska, der Vorstandsvorsitzende des DLV. Nachdem Gonschinska Anfang 2019 vom Cheftrainer zum Generaldirektor aufgerückt war, wurde Alexander Stolpe zum Cheftrainer berufen. Das verwundete nicht wenige Beobachter; Stolpe war bis dahin ohne große Meriten in leitenden Leichtathletikpositionen aufgefallen, dafür mit vielen Lorbeeren von Gonschinska.

Ein halbes Jahr später war Stolpe wieder weg - ohne tiefgreifende Begründung, wieder unmittelbar vor Sommerspielen ( die in Tokio schon schwach für den DLV endeten). Das machte es erst nötig, hastig Ersatz zu beschaffen, woraufhin die Wahl auf Stein fiel. Dass zweieinhalb Jahre später schon wieder umgebaut wird, legt nahe, dass die Probleme tiefer wurzeln als nur bei einer Leitungsstelle.

QUELLE: SZ-Johannes Knuth